Neue Herausforderungen für die Beschaffung ergaben sich im Berichtsjahr dadurch, dass sich die Weltwirtschaft weiter erholte und das Absatzvolumen des Volkswagen Konzerns deutlich zunahm. Neben Maßnahmen, die den gestiegenen Rohstoffpreisen entgegenwirkten, stand vor allem die weitere Optimierung des Lieferanten- und Kaufteilemanagements – unter Einhaltung der Nachhaltigkeitsgrundsätze – im Mittelpunkt der Aktivitäten. Weitere Schwerpunkte waren die Erschließung neuer Märkte und die kontinuierliche Optimierung der Prozesse.
Unsere Beschaffungsstrategie
Die Beschaffung hat sich vier Ziele gesetzt, abgeleitet aus der Konzernstrategie 2018: erstens marktkonforme Top-Qualität und Innovationen zu wettbewerbsfähigen Preisen zu bieten; zweitens die Kostenziele zu erreichen und die Wirtschaftlichkeit unserer Produkte über die gesamte Laufzeit zu gewährleisten; drittens das globale Volumenwachstum durch ständige Verfügbarkeit und gleichbleibend hohe Qualität der Kaufteile abzusichern sowie viertens die Zufriedenheit der Mitarbeiter und die Attraktivität des Geschäftsbereichs Beschaffung weiter zu steigern.
Jedem dieser Ziele wurden Handlungsfelder zugeordnet. Aktuell sorgen 30 Programme mit genau definierten Maßnahmen und Verantwortlichkeiten für alle Marken und Regionen dafür, dass diese Ziele erreicht werden. Ein jährlicher Soll-Ist-Vergleich zeigt auf, ob die Programme und damit auch unsere Strategie angepasst oder neue Programme konzipiert werden müssen.
Stabile Versorgungssituation bei Kaufteilen und Rohmaterialien
Der steigende Fahrzeugabsatz und zahlreiche Produktanläufe prägten die Versorgungssituation im Jahr 2011. Insbesondere unsere Fahrzeuge aus chinesischer Produktion waren überproportional stark nachgefragt. Gleichzeitig setzte sich der bereits im Jahr 2010 zu beobachtende Trend zu hochwertig ausgestatteten Fahrzeugen fort. Dadurch stieg beziehungsweise veränderte sich der Bedarf bei den Kaufteilen. Der Beschaffung ist es dennoch gelungen, die Versorgung aller Produktions- und Komponentenwerke mit Kaufteilen sicherzustellen.
Aus den Naturkatastrophen in Japan und Thailand ergaben sich für unsere Beschaffung besondere Herausforderungen. Mit Hilfe einer umgehend installierten marken- und geschäftsbereichsübergreifenden „Taskforce“ gelang es in Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten, etwaige negative Effekte auf die Versorgungssituation zu verhindern. Letztlich konnten wir die maximalen Produktionsvolumina gegenüber der ursprünglichen Jahresplanung sogar noch steigern. Dazu trugen vor allem die stetigen Prozessoptimierungen im Bedarfs-, Kapazitäts- und Kaufteilemanagement sowie die kontinuierlich verbesserte, engere Vernetzung mit allen beteiligten Geschäftsbereichen bei.
Die Rohstoffmärkte waren im Berichtsjahr erneut von einer hohen Nachfrage bei zugleich deutlich gestiegenen Preisen für Roh- und Einsatzstoffe geprägt; sie waren zudem stark volatil.
Diese Effekte waren wegen mehrerer Förder- und Exportbeschränkungen – vor allem in Asien – insbesondere bei den Seltenen Erden zu spüren. Weil sich aber auch australische und amerikanische Unternehmen verstärkt darum bemühten, weitere Vorkommen Seltener Erden zu erschließen, verbesserte sich die Situation gegen Ende des Berichtszeitraums leicht. Der Markt ist jedoch nach wie vor sehr instabil.
Wie schon im Jahr 2010 stiegen die Preise der rohölabhängigen Grundstoffe auch im ersten Halbjahr 2011. Im weiteren Jahresverlauf stabilisierte sich der Markt jedoch auf hohem Niveau.
Die Beschaffung hat auf diese Herausforderungen mit langfristigen Verträgen und weiteren Maßnahmen reagiert, sodass Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit weitgehend verhindert werden konnten.
Volkswagen hat sich auf die Situation an den Rohstoffmärkten eingestellt und wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen, wie die Aufstellung eines Lieferantenportfolios, die strategische Gestaltung der Vertragszeiträume und die kontinuierliche Optimierung des Materialeinsatzes, zum Beispiel bei Stahl und im Hinblick auf eine Materialsubstitution, vor allem bei Seltenen Erden.
Kaufteile- und Lieferantenmanagement sichert Qualität
Weil die Anzahl der Fahrzeugneuanläufe und Fahrzeugderivate kontinuierlich steigt und die Lieferantenmärkte immer komplexer werden, haben wir unser Kaufteilemanagement im Berichtsjahr weiter intensiviert. Es verfolgt das Ziel, Probleme und Engpässe vor Produktionsstart zu minimieren, indem es den Planungs- und Produktionsprozess frühzeitig und aktiv begleitet. Es unterstützt zudem die Serienproduktion, beispielsweise bei Betriebsstörungen, Kapazitätsengpässen, Werkzeugverlagerungen, Werkzeuginvestitionsprüfungen und Insolvenzen. Dabei arbeiten Werkzeug- und Prozessexperten aus den Bereichen Beschaffung und Qualitätssicherung eng zusammen – ein wichtiger Erfolgsfaktor. Das Kaufteilemanagement wurde im Jahr 2011 auf weitere Marken und Regionen ausgeweitet und ist dort inzwischen ein fester Bestandteil der Organisationen.
Beschaffung und Qualitätssicherung arbeiten darüber hinaus im fachbereichsübergreifenden Programm „Qualität im Wachstum“ gemeinsam daran, das Lieferantenmanagement zu optimieren. Die zunehmend komplexer werdenden Lieferketten machen es erforderlich, bei der Auftragsvergabe für ausgewählte Bauteile nicht nur die liefernde Instanz selbst, sondern auch die ihr vorgelagerten Wertschöpfungsstufen zu betrachten. Auf diese Weise wird die Sublieferantenkette prozessual intensiver bewertet und hierüber Einfluss auf die Vergabeentscheidung genommen.
Lokalisierung und Tiefenlokalisierung auf neuen Märkten
An neuen Fertigungsstandorten können wir durch Lokalisierung, das heißt die Nutzung lokaler Beschaffungsmärkte, Kosten reduzieren. Durch die Tiefenlokalisierung erhöhen wir darüber hinaus den Wertschöpfungsanteil vor Ort bezogener Bauteile; dafür werden frühzeitig günstige Bezugsquellen für Rohmaterialien in den jeweiligen Regionen identifiziert. In enger Zusammenarbeit mit der technischen Entwicklung und der Qualitätssicherung lassen sich so Materialkosten reduzieren.
Basierend auf den Strategien der Lokalisierung und Tiefenlokalisierung hat das bereits etablierte C3-Sourcing-Programm (Cost-Competitive-Country-Sourcing) die Aufgabe, Kostenvorteile in wettbewerbsfähigen Beschaffungsmärkten für weltweite Fahrzeugprojekte zu nutzen. Dadurch werden Synergien der lokalen Produktion auf Komponenten übertragen, die exportiert und in Werken anderer Länder eingesetzt werden, ohne dass wir dabei Abstriche bei unseren Qualitätsansprüchen machen müssten. Konzerneigene Regionalbüros unterstützen unsere Lieferanten sowohl bei der Tiefenlokalisierung im jeweiligen Land als auch beim Export der Bauteile zu den Fertigungsstätten des Konzerns. Das C3-Sourcing-Programm trägt maßgeblich dazu bei, dass neue Fahrzeugprojekte zum Start der Serienproduktion die Zielkosten erreichen und dass neue kostengünstige Beschaffungsmärkte effizient für uns genutzt werden können.
Prozessoptimierungsprogramm der Beschaffung ausgeweitet
Im Jahr 2011 wurde zum dritten Mal das Prozessoptimierungsprogramm Beschaffung durchgeführt. Als ein wichtiges Element des Volkswagen-Wegs basiert das Programm im Wesentlichen auf den Erfahrungen und dem Prozesswissen der Mitarbeiter dieses Bereichs. Mehr als 150 von ihnen haben in verschiedenen Workshops eine Vielzahl von Maßnahmen erarbeitet, die die Prozesse in der Beschaffung und in angrenzenden Fachbereichen verbessert haben. Im zweiten Quartal 2011 wurden alle Mitarbeiter des Bereichs Beschaffung in Qualifikationsveranstaltungen der Beschaffungsakademie umfassend über die erarbeiteten Prozessverbesserungen informiert. Das elektronische Prozesshandbuch unterstützt die nachhaltige Umsetzung der Maßnahmen; es wird sehr erfolgreich flächendeckend eingesetzt.
In das „Prozessoptimierungsprogramm Beschaffung“ wurden im Jahr 2011 weitere Marken und Regionen eingebunden, und zwar die Marken Audi, SEAT und ŠKODA, Volkswagen Nutzfahrzeuge sowie die Standorte in Mexiko, Brasilien, Argentinien und Südafrika. Dabei stand unter anderem die Identifikation von Best-Practice-Beispielen im Mittelpunkt.
Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen
Eine wichtige Aufgabe der Beschaffung ist, Umwelt- und Sozialstandards in das Lieferantenmanagement zu integrieren. Mit dem Konzept „Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen“ übernimmt die Beschaffung seit 2006 gemeinsam mit ihren Geschäftspartnern ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung. Seit 2008 wurde das Konzept auf alle Marken und Regionen des Konzerns übertragen. Seine wesentlichen Bausteine sind: Die vom Konzernvorstand für Beschaffung und vom Group Chief Compliance Officer unterzeichneten Nachhaltigkeitsanforderungen als wichtige Basis für unsere Geschäftspartner, ein Früherkennungssystem zur Risikominimierung, die Transparenz im Beschaffungsprozess sowie Lieferantenmonitoring und -entwicklung. Die jeweiligen Konzeptbausteine werden regelmäßig überprüft und bewertet. Zusätzlich werden neue Mitarbeiter in Schulungen dafür sensibilisiert, mögliche Schwachstellen und Verbesserungspotenziale bei Lieferanten zielgerichtet und kontinuierlich zu erkennen.
Im Jahr 2011 wurde zudem für unsere Lieferanten ein weltweit verfügbares, Internet-basiertes Qualifizierungsmodul in neun Sprachen entwickelt, das 2012 auf der Konzern Business Plattform bereitgestellt wird.
Das Beschaffungsnetzwerk Nachhaltigkeit unterstützte auch 2011 die erfolgreiche und zeitgemäße Umsetzung dieses Konzepts weltweit: In Indien fand die dritte Veranstaltungsreihe zur Lieferantenqualifizierung statt.
Beschaffungsvolumen
Das Beschaffungsvolumen des Volkswagen Konzerns umfasst Produktionsmaterial, Dienstleistungen, Investitionen. Es belief sich im Berichtsjahr – einschließlich der chinesischen Gemeinschaftsunternehmen – auf 110,2 Mrd. €; das waren 22,9 % mehr als ein Jahr zuvor. Der Anteil der Zulieferer in Deutschland betrug 39,3 (39,0) %.
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BESCHAFFUNGSVOLUMEN NACH MARKEN UND MÄRKTEN |
| |||||
---|---|---|---|---|---|---|
Mrd. € |
2011 |
2010 |
% | |||
Volkswagen Pkw |
69,7 |
58,4 |
+19,5 | |||
Audi (inkl. Lamborghini) |
21,0 |
17,0 |
+23,6 | |||
ŠKODA |
6,6 |
5,1 |
+30,3 | |||
SEAT |
3,4 |
2,9 |
+17,0 | |||
Bentley |
0,5 |
0,3 |
+64,4 | |||
Volkswagen Nutzfahrzeuge |
2,4 |
1,9 |
+26,4 | |||
Scania |
5,1 |
4,1 |
+22,9 | |||
MAN |
1,5 |
– |
– | |||
Volkswagen Konzern |
110,2 |
89,7 |
+22,9 | |||
Europa/Übrige Märkte |
75,4 |
59,2 |
+27,2 | |||
Nordamerika |
4,7 |
4,2 |
+12,7 | |||
Südamerika |
8,1 |
7,8 |
+4,6 | |||
Asien-Pazifik |
22,0 |
18,5 |
+19,2 |